Ein Kind im Krieg: Anfang 1945 muss die zwölfjährige Luisa Norff mit ihrer Mutter und der älteren Schwester aus dem bombardierten Kiel aufs Land fliehen. Das Gut ihres Schwagers Vinzent, eines SS-Offiziers, wird ein unverhoffter Raum der Freiheit: Kein Unterricht mehr, und während alliierte Bomber ostwärts fliegen und immer mehr Flüchtlinge eintreffen, streift die Verträumte durch die Wälder und versucht das Leben diesseits der Brände zu verstehen: Was ist das für eine Beunruhigung, wenn sie den jungen Melker Walter sieht, wer sind die Gefangenen am Klostersee, wohin ist ihre Schwester Billie plötzlich verschwunden, und von wem bekommt die Perückenmacherin eigentlich die Haare? Und als ihr auf einem Fest zu Vinzents Geburtstag genau das widerfährt, wovor sich alle Frauen in jenen Tagen fürchten, bricht Luisa unter der Last des Unerklärlichen zusammen.
War Ralf Rothmanns großer, in fünfundzwanzig Sprachen übersetzter Roman Im Frühling sterben ein aufwühlendes Drama am Rand der Schlachtfelder, so ist Der Gott jenes Sommers eine ebenso erschütternde Geschichte über das Klima von Verblendung und Denunziation in den letzten Monaten eines Krieges, der jedem für immer die Seele verdunkelt und schon eine Zwölfjährige mit Recht sagen lässt: »Ich hab alles erlebt.«
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Käufer-Bewertung: Winfried Stanzick
Ralf Rothmann, Der Gott jenes Sommers, Suhrkamp 2018, ISBN 978-3-518-42793-4
Nach der Lektüre des mittlerweile in 25 Sprachen übersetzten hervorragenden Romans „Im Frühling sterben“ aus dem Jahr 2015, der die dramatische und bewegende Geschichte zweier fast noch jugendlicher deutscher Soldaten erzählte, war meine Erwartung an den neuen Roman Ralf Rothmanns hoch, sehr hoch. Doch wie so viele andere Leser im Netz bleibe ich nach der Lektüre dieses 252 - seitigen Romans eher ratlos und skeptisch zurück. Der Roman fällt hinter die literarische Qualität seines Vorgängers und auch vieler anderer Romane von Rothmann zurück.
In „Der Gott des Sommers“ beschreibt Rothmann, der seine Stimme der zwölfjährigen Luisa Norff leiht, ein Dorf in Schleswig-Holstein in den letzten Kriegsmonaten des Jahres 1945. So wie in diesem Dorf, in das Luisa zusammen mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester aus dem ausgebombten Kiel auf das Gut ihres Verwandten und hochrangigen SS- Offiziers Vinzent geflohen ist, mag es damals in vielen deutschen Ortschaften zugegangen sein. Ein Alltagsleben voller Verblendung und Denunziation, zunehmende Verzweiflung und Zweifel machen sich breit. Jeder versucht seine eigene Haut zu retten, angesichts näher rückender Alliierter und immer mehr Flüchtlingen aus dem Osten, die im Ort hängen geblieben sind.
Vinzent ist mit Luisas sehr viel älterer Halbschwester Gudrun aus der ersten Ehe der Mutter verheiratet und kommt nur sporadisch mit Unmengen von Essen und anderen kriegsknappen Dingen nach Hause. Verwaltet wird das Gut von dem Ehepaar Thamling, das dafür sorgt, dass der übliche Betrieb aufrechterhalten wird.
Es scheint also, als ob Luisa dort die letzten Kriegsmonate gut überleben könnte. Doch sie sieht das brennende Kiel aus ihrem Fenster und begegnet bei verbotenen Besuchen des nahen Waldes ausgehungerten Kriegsgefangenen, die dort in Baracken wie Sklaven als Torfstecher gehalten werden. Ein Massengrab wird man nach dem Krieg dort finden.
Immer mehr Flüchtlinge müssen in Ställen und Nebengebäuden des Gutes untergebracht werden, während sich Luisa vor all dem, was sie an Schrecklichem beobachtet, vor all den Fragen, die sich ihr stellen und auf sie keine Antwort erhält oder findet, in ihre Bücher flüchtet.
Rothmann besticht nach wie vor durch einen beeindruckenden Stil und eine wirklich schöne Sprache. Dennoch kann man sich bei fortschreitender Lektüre als Leser, der schon viele Romane aus dieser Zeit und mit diesen Themen gelesen hat (zuletzt Rothmanns letzten aus dem Jahr 2015) des Eindrucks nicht erwehren, dass Rothmann sowohl in der Handlung als auch bei seinen Charakteren allzu viele Klischees einsetzt.
Ein interessantes Element des Buches ist hingegen der fiktive, von Rothmann kapitelweise eingestreute Bericht des Schreibers Bredelin Merxheim in barockem Deutsch über die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648). Der Schreiber, der an Grimmelshausen und Gryphius(ein Gedicht von ihm steht dem Buch als Motto vor) erinnert, lässt inmitten der Kriegswirren eine Kapelle bauen, um seinen nach Brandschatzung, Raub, Mord und Vergewaltigung verlorenen Mitmenschen in Gott wieder einen Halt zu geben. Über diese Botschaft Rothmanns habe ich lange nachgedacht und würde gerne mal mit ihm darüber sprechen.
Auch Luisa Norff will nach Ende der Schreckensjahre im Kloster Halt finden und Nonne werden: an ihrem 13. Geburtstag ist das junge Mädchen überzeugt, nach dem Mord am britischen Piloten,den sie gesehen hat, nach der erlebten Hinrichtung des Schwagers, dem Selbstmord des Vaters, dem Verschwinden der Schwester und ihrer Vergewaltigung durch den eigenen Schwager das weltliche Dasein bereits in allen Facetten gelebt und erlebt zu haben: „Ich hab alles erlebt!“, sagt sie am Ende eines Buches voller Humanität jenseits religiöser Dogmatik.
Christoph Schröder hat Ralf Rothmann einen Schriftsteller genannt, „den nicht die Reflexion, sondern das bloße Erzählen und die Evokation starker, aussagekräftiger Bilder antreibt.“
Dass das auch stellenweise eine Schwäche sein kann, zeigt sein neuer Roman.
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Ralf Rothmann wurde am 10. Mai 1953 in Schleswig geboren und wuchs im Ruhrgebiet auf. Nach der Volksschule (und einem kurzen Besuch der Handelsschule) machte er eine Maurerlehre, arbeitete mehrere Jahre auf dem Bau und danach in verschiedenen Berufen (unter anderem als Drucker, Krankenpfleger und Koch). Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Er lebt seit 1976 in Berlin.
EAN / 13-stellige ISBN | 978-3518427934 |
10-stellige ISBN | 3518427938 |
Verlag | Suhrkamp Verlag AG |
Sprache | Deutsch |
Editionsform | Hardcover / Softcover / Karten |
Einbandart | Gebunden |
Erscheinungsdatum | 07. Mai 2018 |
Seitenzahl | 254 |
Format (L×B×H) | 20,3cm × 12,6cm × 3,0cm |
Gewicht | 397g |
Warengruppe des Lieferanten | Belletristik - Erzählende Literatur |
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